Wie Gutscheinseiten das Affiliate Marketing kaputt machen

Affiliate Marketing galt lange als Königsweg für kosteneffiziente Online-Werbung. In den letzten Jahren hat sich das gewandelt. Die immer beliebteren Gutscheinseiten erweisen sich als Totengräber dieses Geschäftsmodell – auch, weil Merchants immer noch an viel zu eindimensionalen Attributionsmodellen festhalten.

In einem vielbeachteten Gastkommentar auf Entrepreneur.com erklärte Online-Marketing-Agentur-Chef Eric Samson, Affiliate Marketing Is Broken But Ecommerce Companies Can Adapt. Seine These: Infolge des Booms von Coupon-Portalen sei Affiliate Marketing inzwischen ein äußerst kostspieliger Kanal. Shopbetreiber würden Provisionen (häufig plus Netzwerkgebühr plus Agenturhonorare) für Sales bezahlen, die sie in der Regel ohnehin bekommen hätten, weil der Kunde üblicherweise erst in der letzten Bestellstufe nach Rabatten sucht. Durch diese Rabatte sinke dann auch noch zusätzlich der Ertrag für den Händler.

80 Prozent “Gutschein-Sales”

Lukratives Nebengeschäft: Gutscheinportal von Focus Online
Lukratives Nebengeschäft: gutscheine.focus.de

Das Problem ist zweifelsohne fundamentaler Natur. Im Jahr 2014 entfielen in Deutschland rund 80 Prozent der Affiliate-Marketing-Umsätze auf Gutscheinseiten sowie Cashback- und Loyalty-Portale.

Der hohe Prozentsatz erklärt sich auch dadurch, das fast alle Merchants nach wie vor auf das “Last Cookie Wins” Modell setzen. Der Publisher, dem das letzte Cookie auf dem Käufer-Rechner zugeordnet werden kann, bekommt 100 Prozent der Vermittlungsprovision. Und dieses Cookie kommt üblicherweise von der Gutscheinseite, die erst kurz vor der Bestellung  angesurft wird, meist über Google (wovon große Verlage mit entsprechend starken Domains zu profitieren wissen). Verlierer sind Info- und Ratgeber-Seiten, die an früheren Punkten der Customer Journey stehen – sie haben eine wesentlich größere Bedeutung für die Kaufentscheidung und Shopwahl, gehen aber komplett leer aus.

Nur wenige Händler splitten Provisionen

Auch die Köpfe der großen deutschen Affiliate-Netzwerke Affilinet (United Internet) und Zanox (Axel Springer) appellieren darum an Merchants, auf flexiblere Attributionsmodelle umzuschwenken. Das Fachblog Marketing Land rief schon 2013 als “Jahr der Affiliate Attribution” aus. Wenige Jahre später ist davon allerdings kaum etwas zu sehen. Abgesehen von einigen wenigen E-Commerce-Größen wie DocMorris (Split der Provision an bis zu sechs Parteien) und Otto (channelübergreifende Berechnung, ausführliche Erklärung) gilt nach wie vor “Last Cookie Wins”.

Händler scheuen Innovationen

Bildschirmfoto 2015-05-18 um 11.29.24“Wenig Interesse an Änderung des „Last Cookie Wins-Prinzips“, übertitelte der E-Commerce-Dienstleister Become Europe (ehemals Pangora) die Ergebnisse einer Befragung von 1.000 deutschen Online-Händlern. Demnach sind nur 29 Prozent der Befragten der Meinung, das immer noch gängige System sei ungerecht und müsse geändert werden. Davon setzt die Hälfte bereits flexible Attribution ein; absolut sind es also gerade einmal 15 Prozent. Auffällig: Ganze 50 Prozent der befragten Online-Händler beantworteten die Frage zur Gerechtigkeit von “Last Cookie Wins” mit “weiß nicht”. Hier gibt es offenbar eine große Unsicherheit und Aufklärungsbedarf.

“Last cookie wins” für Content-Seiten unattraktiv

Das dürfte auch mit trügerischen Kennzahlen zusammenhängen, denn auf den ersten Blick sind die Affiliate-Umsätze über Gutscheinseiten gut. Allerdings ist es für Betreiber von Info- und Ratgeberseiten, die die Kunden häufig erst zu den Stores führen, attraktiver, auf einen Anbieter mit mehrdimensionalem Vergütungsmodell zu verweisen – was indirekt die gesamten Online-Shop-Umsätze der Last-Cookie-Wins-Anbieter schädigt.

Cut out the middleman

Wie könnte es besser gehen? Eric Samson rät in seinem Kommentar Performance-Marketing-Verantwortlichen dazu, relevante Publisher zu identifizieren und mit ihnen direkte Vereinbarungen zu treffen. Über offene Affiliate-Netzwerke seien keine nachhaltigen Sales zu erwarten, darum sollte man sich von ihnen verabschieden.

Gutschein-Traffic selbst abgreifen

Daraus würden sich auch freie Ressourcen ergeben, die sich etwa in den Aufbau einer eigenen Landingpage für Gutscheine investieren ließe. Samson nennt als Beispiel die (von seiner Agentur konzipierten) Coupon-Seite des Schuckhändlers Felt Noir, über die man auch bereits den relevanten Google-Traffic abgreife. Ein nahe liegendes Modell, das es auch schon in Deutschland gibt: So kommt bei der Google-Suche nach Otto Gutschein eine Landingpage von Otto selbst auf Platz 2. Infolge des multidimensionalen Attributionsmodells kommen hier die Provisionen noch tatsächlich bei den eigentlichen Vermittlern an.

<Bildnachweis: Coupon von Shutterstock>

Johannes Haupt

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