Medium: "Wir sind kein Publishing Tool"

Erst im Jahr 2012 ans Netz gegangen, hat sich Medium.com innerhalb kürzester Zeit einen guten Ruf als Plattform zur Publikation von langen, hintergründigen Artikeln erarbeiten – und erfreut sich auch in Content-Marketing-Kreisen einiger Beliebtheit. Jetzt verkündet der Chef einen bemerkenswerten Strategiewechsel, mit dem Medium zunehmend an Plattformen wie Buzzfeed und Tumblr heranrückt.
Minimalistische Präsentation langer Texte
Medium startete als Schreib-Plattform mit vollem Fokus auf den Texten. Wesentliche Charakteristika (und Unterscheidungsmerkmale gegenüber "klassischen" Blogging-Plattformen) sind das einheitliche und sehr minimalistische Ein-Spalten-Design sowie lange Texte, die Absatz für Absatz kommentierbar sind. Anders als typische Blogging-Plattformen nahm Medium allerdings von Anfang an Geld für professionelle Journalisten in die Hand, die die Plattform mit entsprechenden "Leuchtturm-Texten" bereicherten. Bislang vor allem im englischsprachigen Raum beliebt, gibt es auch einige Experimente deutscher Content Marketer mit Medium als Publishing- und Content-Marketing-Werkzeug. Genannt seien hier die Kanäle des t3n Magazin und vom Unternehmensberater Klaus Eck.
Im Unternehmensblog erklärte Medium-Chef Ev Williams, der in der Vergangenheit maßgeblich an der Entwicklung von Blogger und Twitter beteiligt, Medium wolle sich nicht am Wettrüsten um Publishing-Funktionen beteiligen. Man habe sich von Beginn an darauf konzentriert, Menschen ein einfaches Werkzeug fürs Publizieren eigener Texte an die Hand zu geben und diese Texte bestmöglich zu präsentieren.
Neue Ziele: Mehr Anmeldungen, mehr Interaktion
Gleichwohl habe man in den letzten Monaten unternehmensintern die Aufmerksamkeit zunehmend darauf gelegt, wie man noch mehr Netzwerk-Nutzen schaffen könne. Das drücke sich etwa in der "Highlight"-Funktion aus: Medium-Mitglieder können Textstellen markieren, und diese Markierungen werden auch Freunden angezeigt. Auch können ganze Texte als Antworten zu Texten verfasst und damit verknüpft werden. Diesen Weg will Medium weiter verfolgen, schreibt Ev Williams. Denn Medium sei kein Publishing-Tool, sondern ein "Netzwerk von Ideen".
Buzzfeed will aus unternehmensinternen Quellen erfahren haben, dass sich dieser Strategiewechsel auch in neuen KPIs niederschlägt. War in der Vergangenheit die Lese-Zeit von Nutzern auf der Plattform die einzige wichtige Kennzahl für Medium, sollen nun Anmeldungen und Nutzer-Interaktion gepusht werden. Medium habe ein Traffic-Plateau erreicht und wolle nun weiter wachsen, indem Nutzer stärker zur Anmeldung und Interaktion animiert werden.
Dieser Strategie-Wechsel drückt sich auch schon praktisch aus. Vergangene Woche publizierte Steven Levy, eins der absoluten Aushängeschilder von Medium, einen Bill Gates / Osama Bin Laden Library Smackdown. Dabei handelt es sich um einen Quiz – den ersten überhaupt auf Medium.com – mit blauem Hintergrund, wenig Text und pinken Buttons. Ein klarer Shift in Richtung Buzzfeed/Tumblr, den die Nutzer der ersten Stunde sicherlich mit gemischten Gefühlen aufnehmen werden.
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